Zum zweiten Mal packten wir etü-Redaktor*innen am vergangenen Wochenende unsere Rucksäcke für einen dreitägigen Ausflug. Nachdem wir letztes Jahr in der Reformationsstadt Genf auf den Spuren von Calvin wandelten, wanderten wir dieses Jahr unter dem Motto «Bergnatur und Klosterkultur» vom Münstertal ins Unterengadin. Diese fünf Dinge bleiben uns in Erinnerung.
Wandervögel vs. Coole Stadtkinder: Die Ausrüstung
Schon früh stellt sich heraus, dass sich die Mitglieder des Redaktionsteams bei der optimalen Ausrüstung für eine Bergwanderung nicht einig sind. Während die einen sich mit Turnschuhen ohne jegliches Profil auf den Berg wagen, haben die anderen ihre Wandersocken bis zu den Knien hochgezogen und die High-Quality-Wanderschuhe geschnürt. Wanderhosen mit abnehmbaren Hosenbeinen gehören für die einen dazu – die andern können darob nur die Nase rümpfen. Die Frage, wie man mit lädiertem Historikerrücken sein Gepäck am besten auf den Berg trägt, hat während der Reisevorbereitung vor allem bei einem Redaktor für einen rauchenden Kopf gesorgt. Dass ein riesiges Bauchtäschli zusätzlich zum Rucksack keine gute Idee gewesen sein kann, wird aber spätestens nach einer halben Stunde Aufstieg offensichtlich. Immerhin bei der Kopfbedeckung können wir uns sehen lassen: Das zur Schau getragene Sortiment reicht vom Matrosenkäppchen über den Strohhut und das Pfadicap bis zum John Deere-Sonnenhut.
Tausend Höhenmeter Bergnatur
Gut 1000 Höhenmeter gilt es am ersten Wandertag zu meistern. Die Strecke führt uns von Taufers im Münstertal entlang eines hübschen Bergbachs und vorbei an weidenden Kuhherden auf das S-charljoch. An Naturidyll kaum zu übertreffen bietet dieser Platz dank Aussicht auf das Münstertal auf der einen Seite und das Unterengadin auf der anderen die perfekte Gelegenheit, um die Herausforderung eines Gruppenbildes in Angriff zu nehmen. Um möglichst viel von der schönen Landschaft einzufangen, müssen die Fotografin und der Fotograf in den vom Selbstauslöser gewährten 10 Sekunden um den Bergsee über einiges an Geröll springen. Ohne Unfall und mit Gruppenbildern im Kasten nehmen wir schliesslich den Abstieg in die winzige, abgelegene Ortschaft S-charl in Angriff. Dort angekommen lassen wir das angekündigte Bad im eiskalten Bergbach zwar aus, entspannen unsere müden Beine und heissen Köpfe aber beim verdienten Bier.
Die Fussballmuffel kommen ins Fussballfieber
Wenn es einem manchmal so vorkommt, als gehöre es unter Historiker*innen zum guten Ton, sich nicht für Sport und erst recht nicht für Veranstaltungen der Fifa zu interessieren, ist davon auf unserer Reise nichts mehr zu spüren. Jeder Match der kürzlich begonnenen Weltmeisterschaft ist ein grosses Thema: Die Restaurants werden hauptsächlich nach dem Kriterium, ob die WM-Spiele ausgestrahlt werden, ausgesucht und wenn ein Match gerade nicht zur Essenszeit läuft, wird er auf dem Handybildschirm oder Liveticker verfolgt. Dumm nur, bewegen wir uns grösstenteils in abgelegenem Berggebiet. Einer der meistgehörten Ausrufe ist daher: «Ah Mann, scho wieder kei Netz!» Wenn wir dann aber mal Internetzugriff haben, wird sofort abgecheckt, wer momentan im etü-internen Tippspiel die Rangliste anführt. Das Fussballfieber scheint sich sogar direkt auf unsere Beine auszuwirken: Beim Anblick eines Fussballs wird auf der Wiese neben der Jugendherberge nämlich sofort ein Fussballspiel angerissen. Nur leider braucht es den Einsatz des 13-jährigen Jungen aus dem ebenfalls dort logierenden Klassenlager, um unser Spiel wenigstens ein bisschen nach Fussball aussehen zu lassen.
1200 Jahre alte Fresken: Die Klosterkultur
Weil wir uns als Historiker*innen selbstverständlich neben Alpenrosen und Arvenwäldern auch für die kulturellen Schätze der Bergwelt interessieren, hat unser Reiseleiter Michi wie schon ein Jahr zuvor in Genf ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm gestaltet. In Müstair lassen wir uns also durch das Kloster führen, das der Legende nach von Karl dem Grossen gestiftet wurde und 1983 auf die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Ursprünglich ein Männerkloster, wird es seit dem 12. Jahrhundert von Benediktinerinnen bewohnt. Wir bestaunen die um 800 entstandenen und in Art und Ausmass einzigartigen karolingischen Fresken und können durch die Besichtigung der zu unterschiedlichen Zeiten um- und neugenutzten Räume die Geschichte des Klosters sehr plastisch nachvollziehen. Auch am letzten Tag in Scuol wartet Michi mit einer sorgfältig geplanten Führung durch den historischen Dorfkern auf. Er zeigt uns mittelalterliche Häuser und die reformierte Kirche und führt uns anhand von im Ortsbild immer noch präsenten Gebäuden in die Geschichte des Tourismus seit dem 19. Jahrhundert ein.
Die Abende: Bündner Spezialitäten und Klassenlager-Feeling
Teil unserer kulturellen Erkundung des Münstertals und des Unterengadins ist natürlich auch das Degustieren von lokalem Bier, Wein und Essen. Bei Pizokels, Capuns und Plain in Pigna kommt bei uns bereits Ferienstimmung auf. In gemütlichen Runden wird Film- und Literaturwissen ausgetauscht und über Konservativismus philosophiert. Die etü-Redaktion zeigt sich auch aussergewöhnlich spielfreudig: In jeder freien Sekunde werden die Handys gezückt und die Mitredaktor*innen werden bei «Quiz-Duell» herausgefordert. Die Nicknames der Spielenden lassen teilweise spannende Jugendphasen erahnen: So heissen gewisse Etüler beispielsweise BigPig666, Swagli oder R.U.Kiddingme. Aber auch mit echten Karten aus echtem Karton wird gespielt. Nach dem Essen fliegen Tichukarten über den Tisch und die Köpfe der Jasser*innen rauchen. Aus Angst, dass hier oben die Beizen schon früh schliessen, wurde vorsorglich im Volg noch eine Flasche Wein besorgt. Zurück in der Jugendherberge verziehen wir uns ausgestattet mit dieser ins «Buebe-Zimmer» und spielen auf den Betten noch eine Runde «Werwölfle» – die Klassenlagerstimmung ist perfekt!