Barbara Metzger, Bibliothekarin am Historischen Seminar im 25. Dienstjahr, über Gümmele, Qigong, ihre geliebte Geige – und den Wert von kleinen Fachbibliotheken.
«Kürzlich habe ich in der Bibliothek der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, die wir im April übernommen haben, zum ersten Mal neue Bücher versorgt. Meine Etiketten sahen etwas anders aus als die bisherigen. Doch als mich eine Kollegin darauf ansprach, sagte ich nur: ‹Jetzt ist halt die Ära Metzger angebrochen!›
Als Bibliothekarin ist es wichtig, seine eigene Handschrift zu haben. Und es freut mich, wenn ich durch meine Arbeit etwas mitgestalten und mittragen kann. Einmal, an einem ehemaligen Arbeitsort, ist mir während einer Sitzung plötzlich herausgerutscht: Das isch aber e Bieridee! Seither ist die Bieridee dort ein stehender Begriff.
«Einmal hat in der Bibliothek das Telefon geklingelt. Ich nahm sofort ab. Aber es läutete weiter. Gopfriedstutz, dachte ich, was isch da los?»
Barbara Metzger, Bibliothekarin
Ich habe diesen April mein 25-jähriges Dienstjubiläum an der Uni gefeiert – nur mit Francesco von der IT, Kaffee im Pappbecher, Sprüngli-Törtli und zwei Metern Abstand. Am Historischen Seminar bin ich seit 2008 – in einem offenen, herzlichen und kollegialen Team. Und obwohl sich an unserer Arbeit in dieser Zeit viel verändert hat – der altehrwürdige Zettelkasten ist einer cloudgestützten Bibliothekssoftware gewichen – ist bei aller Digitalisierung etwas gleichgeblieben: Die Leute kommen immer noch zu uns, sie brauchen uns immer noch. Und sie brauchen auch immer noch physische Bücher.
Die Bibliothek ist das Herz des Historischen Seminars. Wie jede Fachbibliothek haben wir unseren ganz eigenen Charakter. Und ich fürchte etwas, dass mit der bevorstehenden Zentralisierung der Bibliotheken diese Vielfalt und unser Fachwissen verloren gehen könnten, dass wir austauschbar werden, Rädchen im Getriebe. Dabei schätze ich gerade das an meiner jetzigen Stelle: dass ich nicht das Gefühl habe, eine Maschine zu sein. Dass ich alles Mögliche machen kann – Katalogisieren, Erwerben, Thekendienst, Fernleihen, neue Studis durch die Bibliothek führen. Und dass wir genügend Zeit haben für all das, was wir zu tun haben.
Klar gibt es auch hier Leute, die Bücher in Nestern im Magazin verstecken, weil sie niemand ausser ihnen haben soll. Und solche, die Bände voller Post-its oder Kritzeleien abgeben. Aber dafür habe ich ein gewisses Verständnis. In meine eigenen Bücher schreibe ich selbst auch. Und wenn das hier jemand macht, legen wir das Buch halt auf einen Stapel und jemand von uns darf mal zwischen zwei Arbeiten ein wenig Gümmele.
Der Kontakt, der Austausch mit Leuten ist mir sehr wichtig. Was genau sie wollen, was sie interessiert: Das möchte ich usechützele. Ich versuche ihnen beizubringen, neugierig zu bleiben, sich nicht mit dem erstbesten Resultat zufriedenzugeben. Denn ich neige selbst etwas zum Perfektionismus – was mir manchmal das Leben ganz schön schwermacht.
«Der Kontakt, der Austausch mit Leuten ist mir wichtig. Was sie wollen, was sie interessiert: Das möchte ich usechützele.»
Barbara Metzger, Bibliothekarin
Ich bin immer auf der Suche, will immer Futter haben, möchte immer etwas machen. Aus dem Schloss Chillon mussten sie mich schon einmal fast rauswerfen. Die Batterien waren leer, als ich fertig war mit dem Audioguide. Schlösser und Klöster – das Mittelalter überhaupt – liebe ich an der Geschichte. Jedes Jahr mache ich im selben Kloster in Kroatien einen Qigong-Kurs. Dann nehme ich meine Zaubergeige mit und spiele ganz allein in der Klosterkirche. Ich musiziere, fast seit ich denken kann – und zwar mit höchster Leidenschaft!
Wissen Sie, vor diesem Gespräch habe ich mir überlegt, was für Adjektive zu mir passen: «Unkonventionell» ist mir in den Sinn gekommen – ich kann aus jeder Situation etwas machen –, aber auch «originell», «kreativ» und «interessiert». Und manchmal muss ich sehr lachen. Dazu gibt’s eine Geschichte von meinen Anfängen hier am HS, aber die dürfen Sie nicht aufschreiben! Nur soviel: Ich hatte noch nie so ein lustiges Vorstellungsgespräch.
Aber lueged si, das dürfen Sie erzählen: Einmal hat in der Bibliothek das Telefon geklingelt. Ich hatte Thekendienst und nahm sofort ab. Aber das Telefon läutete weiter. Gopfriedstutz, dachte ich, was isch da los? Da merkte ich: Ich hatte den Barcode-Scanner am Ohr.»
Menschen am HS
Wir sehen sie täglich, aber wissen nicht, wer sie sind: die Menschen am HS. In dieser Rubrik portraitieren wir deshalb in jedem Heft jemanden aus dem Umfeld des Historischen Seminars – und lassen ihn oder sie selbst zu Wort kommen. Bisher erschienen: Viviane Mee, die lauteste Bibliothekarin der Schweiz, Francesco Falone, IT-Verantwortlicher mit legendärem Lachen und Fabio Trigonella, ewiger Student genannt «Il professore».