Etü abroad – Oslo

Skandinavien. Bekanntlich die sozial-demokratische Utopie, wo fortschrittlich und modern gelebt wird. Zwar lässt sich die Sonne ein halbes Jahr lang kaum blicken, aber hey, Vitamin D Tabletten schmecken echt gut, die kann man wie TikTaks verdrücken.

Ein Jahr habe ich in Norwegens Hauptstadt Oslo verbracht und ich kann euch berichten: Der Winter ist hart, Norweger*innen nicht sehr gesprächig, das Bier abgöttisch teuer, aber trotz allem; integriert ist man super schnell, alle können Englisch und die Uni sorgt seit Woche eins dafür, dass man mit coolen Events ganz viele andere Austauschstudierende kennenlernt.

Ich nehme euch mit an einem üblichen Tag in meinem Austauschjahr, viel Spass!

Oslo, 10.11.21

08:45

Das rosa Licht des Sonnenaufganges scheint in mein Zimmer, mir direkt ins Gesicht und weckt mich auf. Ich strecke mich in meinem 1.20 Bett und freue mich wie jeden Morgen, dass ich nicht in einer Unterkunft mit einem 90cm Bett gelandet bin. Dieses Zimmer in einem Studierendendorf war zwar nicht meine erste Priorität und ein Klo mit sechs Leuten teilen geht zwar überraschend gut, hätte jedoch nicht zwingend sein müssen. Wenigstens garantiert die Uni Oslo, dass alle Austauschstudierende irgendwo unterkommen und hat Wohnhäuser in der ganzen Stadt.

Immerhin sind Klo und Dusche getrennt, also kann ich mich schnell im Bad fertig machen gehen. Dann geht’s in die Küche, die ich ebenfalls mit meinen sechs Mitbewohner*innen teile und mache mir ein Müsli (mit der Oatly-Hafermilch, die hier nur umgerechnet 2 Franken kostet!). Durch die riesige Fensterfront kann ich alle Leute beobachten, die sich im Studi-Dorf rumtummeln. Ich sehe, wie eine Freundin von mir aus dem gegenüberliegenden Haus kommt und winke ihr zu. Sie winkt zurück. Privatsphäre ist hier Mangelware, aber dafür wohnen fast alle meine Freund*innen in einem Umkreis von 100 Metern um mich herum und das ist echt einfach das Beste!

09:55

Ich steige aus der Metro aus und renne über den Campus in Richtung Seminarraum. Sieht hier bisschen aus, wie am Irchel. Ich stürme ausser Atem in meinen Kurs, grüsse die Dozentin (die aus Deutschland kommt, irgendwie unterrichten keine norwegischen Leute die englischen Fächer) und setz mich zu meinen Freund*innen. Drei Leute im Zimmer kenn ich bereits seit der von der Uni Oslo organisierten Einführungswoche. Wir waren in der gleichen „Buddy-Group“. Eine Woche lang hat uns ein norwegischer Studi die Uni gezeigt und ist mit uns an verschiedene Events gegangen. Seither sind wir als Gruppe fast untrennbar und unternehmen beinahe täglich etwas. Der grösste Teil der Klasse besteht ebenfalls aus Austauschstudierenden, da es nicht so viele Kurse auf Englisch gibt. Es werden hier ausschliesslich 10 ECTS Module für Geschichte angeboten. Manche Module sind ein Gemisch aus Vorlesung und Seminar, andere gänzlich im Seminar-Stil aufgebaut. Die Leistungsnachweise variieren ebenfalls von Modul zu Modul. Aber grundsätzlich gilt, dass man einen Text im Umfang von circa 4000-5000 Wörtern abgeben muss. Meistens sind das Arbeiten, die man Ende Semester einreichen muss, manchmal ist es aber auch ein Essay. Dabei wird an einem bestimmten Datum eine Fragestellung freigeschaltet anhand derer man dann drei bis vier Tage Zeit, einen Essay zu verfassen.

Die Seminare haben eigentlich bereits vor zwei Wochen aufgehört, heute haben wir nur nochmals eine Nachbesprechungssitzung für allfällige Fragen und um den Fortschritt der Arbeiten besprechen zu können. Die Module fangen hier nicht alle einheitlich an und auf, aber meistens hat man 10 Wochen lang Lektionen und dann noch etwa 1 ½ Monate Zeit, die Arbeiten zu schreiben. Vor Weihnachten ist dann alles schon fertig, aber Mitte Januar geht’s bereits weiter. Ich glaube, sie wollen uns nicht allzu lange mit der Dunkelheit der norwegischen Winternächte alleine lassen.

12:00

Nach der Besprechung treffen wir uns mit unseren anderen Freund*innen im veganen Restaurant auf dem Campus. Da gibt’s richtig gutes Essen, das man einfach via Computer bestellt (es gibt fixe Gerichte, die jeden Tag angeboten werden und Tages-Menus). Ich bestelle das Thai Curry für 6.- und eine Portion Sweet Potato Fries zum Teilen.

Meine Freund*innen und ich besprechen den Cabin-Trip, den wir für kommendes Wochenende organisiert haben. Gemeinsam haben wir die Studi-Organisation SIO um Geld gebeten und jetzt finanzieren sie uns eine moderne Hütte und Mietwagen, um dahin zu fahren. Wir müssen eigentlich nur noch das Essen selbst bezahlen, da wir 20 Leute sein werden, wird das wohl auch nicht allzu teuer werden.

SIO ist vom Staat nach Corona stark subventioniert worden, um die Studierenden wieder für die Uni zu motivieren. Bereits das ganze Semester organisieren sie kostenlose Events: Paintball, Escape Rooms, Museumsbesuche, Wochenendausflüge undundund. Zwar sind die Plätze beschränkt, aber wer schnell genug ist, kann an richtig coolen Erlebnissen teilnehmen!! (Aber Achtung: Im zweiten Semester ist das Budget oft schon aufgebraucht, deshalb gibt es im Herbst mehr Events als im Frühling.)

13:00

Nach dem Essen gehe ich, wie fast jeden Tag, in die grosse Bibliothek. Es gibt hier, wie in Zürich, für jedes Seminar eine Bib und dann noch die grösste, die mit der ZB vergleichbar ist. Nur besteht hier die gesamte Fassade aus Glas besteht und kaum etwas verläuft unterirdisch. Wegen den grossen Modulen, muss ich pro Woche nur zwei Mal für je zwei Stunden an die Uni. Die restliche Zeit bin ich hier oder im Lernhaus in meinem Studi-Dorf. Der Leseaufwand für die Seminare ist vergleichbar mit Zürich. Was vor allem viel Zeit benötigt, sind die Arbeiten, die noch im gleichen Semester abgegeben werden müssen. Das Leben hier ist spannend allein, schon weil die Uni so viel organisiert und man mit den Austauschstudis ständig etwas unternimmt. Der Uni-Alltag hingegen ist ziemlich einsam, vor allem weil man keine Variation in den Veranstaltungen hat und wegen der hohen Credit-Zahl auch nicht viele Module belegen kann. Das ermöglicht natürlich viel Flexibilität, was einem im Austausch sehr gelegen kommt, da man mehr Ausflüge oder sonstige Aktivitäten planen kann. Ich bin nur froh, dass ich hier im Rahmen eines Mobilitätsprogramm bin und nicht meine ganze Studienzeit so strukturiert haben muss.

18:00

Ich fahre zehn Minuten mit der Metro nach Hause und gehe noch schnell im Supermarkt von unserem Studi-Dorf einkaufen. Das Einkaufserlebnis in Norwegen ist nicht so der Hit. Vegetarisch veranlagt sind die Leute nicht wirklich und das Gemüse ist immer in Plastik verpackt, was es aber nicht frischer macht (oder günstiger). Die Norweger*innen sind aus irgendeinem Grund sehr begeistert von mexikanischem Essen, Taco-Friday ist Tradition und den Rest der Woche gibts Fisch und Fleisch und Fleisch und Fisch. Und zum Dessert immer diese Chips, die mit Schokolade überzogen sind. Klingt seltsam, aber ganz ehrlich, die sind schon irgendwie lecker.

19:30

Nachdem ich mit meiner Mitbewohnerin Abendessen gekocht habe, gehen wir gemeinsam in die Bar unseres Studi-Dorfs. Wir helfen da beide als Freiwillige aus. Die Bar hat zweimal die Woche auf und wird von Freiwilligen geschmissen. Das Bier kostet 50 Kronen anstatt 100Kr (umgerechnet also 5.- CHF anstatt 10.-). Heute ist wieder Karaokeabend. Drinnen füllt es sich langsam. Einige grölen bereits ins Mikrofon. Richtig cool wird’s aber erst später, wenn alle zum Tanzen aufstehen und die Lieder nicht mehr alleine, sondern von der ganzen Bar gesungen werden. Vielleicht könnte ich einen Karaoke-Abende auch mal am Zähringer in Zürich vorschlagen.

Etü abroad Rating

Uni: Der Albtraum für alle, die nie ihre Arbeiten abgeben
★★★☆☆
Warum muss ich jedes Semester drei Arbeiten schreiben?
Wo sind die Vorlesungen? Nicht jedes Modul muss 10 ECTS geben!

Freizeit: Brauchts du was? SIO hat die Kohle
★★★★★
Die Studi-Organisation SIO spest alles mögliche an Events! Ob Paintball, Museen oder Escaperooms. Ausser Alkohol, der ist dann zu teuer.

Wohnen: Keine Privatsphäre, ungehemmter Umgang, günstiges Bier
★★★★☆
Privatsphäre wird im Wohnheim nicht grossgeschrieben. Die Wände sind dünn, dafür gibt’s in der nahegelegenen Studibar günstiges Bier.