Das aus dem Project R hervorgegangene Online Magazin Republik startet 2018. Innovativ und revolutionär soll es sein, doch noch steckt es in den Kinderschuhen. Eine Führung durch die Räumlichkeiten des neuesten Medien-Startups der Schweiz gibt Einblicke.
Ein bisschen Rebellion liegt in der Luft, als ich an diesem ersten richtig warmen Mainachmittag das Zuhause des zukünftigen Online-Magazins «Republik» betrete. Noch ist nichts so richtig an seinem Platz, doch zu der nach aussen kommunizierten Botschaft des Gründungsteams scheint das zu passen: «Das Mediensystem ist kaputt. Lassen Sie uns gemeinsam etwas Neues bauen. Die Republik ist eine kleine Rebellion.» Inhaltlich liefert das Magazin noch nicht viel, steckt man diesbezüglich doch noch am Anfang aller Planung. Dass sich die Republik-Crew aber viel von sich erhofft, ist auf der ganzen Website erkennbar.
Christof Moser, zusammen mit Constantin Seibt Mitbegründer der Republik, führt uns mit erschöpftem aber zufriedenem Gesicht durch die halbwegs eingerichteten Zimmer des Hotels Rothaus, die die Republik mitten in der Zürcher Langstrasse für sich in Anspruch nehmen konnte. «Für Euphorie haben wir bis jetzt wenig Zeit gehabt, wir sind noch sehr beschäftigt mit der Organisation und der Planung von allem, was im Hintergrund geschehen muss», erklärt sich Moser. «Wir sind aber froh, dass wir uns genau hier einquartieren konnten. Wir wollen Journalismus unter den Leuten machen, dort, wo sich was tut.» Dem entsprechen unzählige Post-its, mit denen alle Wände der Redaktionsräume vollgeklebt sind. «Um das eigene Leben schreiben» aber gleichzeitig auch «das Gewicht der Welt schultern» heisst es da unter anderem. Es erinnert ein wenig an eine chaotische WG, in der die eigenen vier Wände vor Pathos nur so sprudeln. Und auch gegen aussen soll dieser Pathos nicht unbemerkt bleiben, wie das grosse Manifest über dem Eingang des Gebäudes klarmachen will: «Journalismus ist ein Kind der Aufklärung. Seine Aufgabe ist die Kritik der Macht. Wer Journalismus macht, übernimmt Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit.»
Am 26. April begann die gross angelegte Crowdfunding-Aktion, die dem Magazin nicht nur die finanzielle Grundlage zusichern, sondern auch die Glaubwürdigkeit bei Investoren steigern sollte. Der erhoffte Erfolg wurde innert weniger Tage um ein Vielfaches übertroffen. Dabei ist die jüngste Erscheinung in der Schweizer Medienwelt noch nicht einmal auf die Bühne getreten. Noch scheint es nicht viel mehr zu sein als ein grosser Wirbel um eine noch nicht genau definierte Magazinpublizistik. Und dennoch haben sich bereits über 12’000 Abonnenten (Stand: 18. Mai) gefunden, die ab 2018 täglich drei gut recherchierte, fundierte und ausführliche Artikel zu lesen bekommen werden, wie es die Website verspricht. «Auf Halbes, Halbgutes, Halbgedachtes, Halblanges, kurz: auf Bullshit verzichten», heisst dort weiter. Das wohl Einzigartigste der Republik: Auf Inserate wird vollständig verzichtet. Damit will man sich nicht in die Abhängigkeit des kommerzialisierten Mediensystems begeben, man will Unabhängigkeit wahren. Dieser Aspekt, mit dem sich das Team um Moser und Seibt stark machen und von den traditionellen Medien abheben will, ist gleichzeitig auch der grösste Angriffspunkt, auf den sich Kritiker stürzen. Geht das wirklich, vollständig unabhängiger Journalismus? Der Einfluss der wenigen Investoren auf die journalistischen Inhalte ist zwar sehr begrenzt, erklärt Moser das Geschäftsmodell, doch die Frage stellt sich dennoch, wie man – wenn’s denn mal sein muss – zu weiterem Geld kommen soll. Den eigenen Idealen treu bleiben? Oder sich doch kompromittieren lassen? Auf solche Fragen hat die Republik noch keine vollständigen Antworten bereit, aber es bleibt ja noch Zeit bis Ende Jahr.
Bis dahin ist es noch ein langer Weg; in den Räumlichkeiten an der Langstrasse türmen sich leere Kartonkisten an den Wänden, angebrochene Weinflaschen, abgestandener Kaffee und halbvolle Club Mate Flaschen zeugen von Nachtschichten und langen Diskussionen. Man habe an gewissen Tagen um zehn Uhr morgens begonnen und sei erst spät in der Nacht mit der vorläufigen Planung fertig geworden, so Moser. Aus dieser Planung schimmert ein bewundernswerter Idealismus durch. Journalismus ist wichtig. Er solle nicht unbedingt aktivistisch sein und starke Position beziehen, sondern vielmehr unterschiedliche Positionen aufzeigen und gegeneinander abwägen, meint Moser. «Jedes Thema hat Vor- und Nachteile. Und unser Job ist es eigentlich, das herauszuarbeiten, sodass dann jeder selbst entscheiden kann.»
Das sind alles wortgewaltige Ankündigungen; die eigene Messlatte ist sehr hoch gesteckt. Der überwältigende Anfangserfolg verführt zu Träumereien, allerdings hat in den letzten Jahren ein ähnliches Online-Magazin in Deutschland, Krautreporter, gezeigt, dass nach einem Jahr Online-Publikation ein grosser Teil der Abonnenten wieder abgesprungen ist. Das will die Republik besser machen. Die Abonnenten sind alle auch Verleger, erhalten Einblick in die wichtigen Entscheidungen in der Redaktion. Ausserdem haben alle Abonnenten zusammen gleich viel Mitspracherecht wie die Redaktion selbst. Moser vertraut darauf, mit den richtigen Leuten zu tun zu haben. «Wenn du Vertrauen gibst, dann kommt auch Vertrauen zurück. Wir leben sehr stark nach diesem Motto.»