Bologna 2020 geht in die heisse Phase: Studentische Mitarbeit erwünscht

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Wenig Informationen, aber grosse Auswirkungen: Die kommenden Curriculum-Veränderungen im Zuge der Bologna-Reform betreffen uns alle. Trotzdem sind Studierende erstaunlich wenig informiert. Warum ist dies so? Und was steht uns genau bevor?

Was wissen wir Studierenden eigentlich über die unipolitischen Vorgänge am Historischen Seminar? Wohl nicht allzu viel, wenn man den Stimmen in der etü-Redaktion (die natürlich keine Repräsentativität beanspruchen) Glauben schenken darf. Dabei steht mit Bologna 2020 eine tiefgreifende Reform an, die – wenn nicht mehr zwingend uns selber – mindestens die nachfolgenden Studis betreffen wird. Zur Reform gehört die Umgestaltung der Programme auf einen allgemein ausgerichteten Bachelor und einen spezialisierten Master. In diesem Kontext hat die Fakultätsversammlung der philosophischen Fakultät das Major/Minor-System für die Bachelorstufe und die Möglichkeit zum Monomaster beschlossen.

Abschaffung des Nebenfachs Geschichte der Neuzeit?

Dieser Ausrichtung auf ein Grundlagenstudium im Bachelor fallen sämtliche kleinen Nebenfächer zum Opfer; doch auch die grossen stehen auf dem Prüfstand. Im Bachelor wurden die Nebenfächer Geschichte des Mittelalters und der Antike sowie osteuropäische Geschichte aufgrund von kleinen Studierendenzahlen bereits gestrichen. Die Geschäftsführerin des HS, Barbara Welter Thaler, betont, dass es sich dabei nicht um eine Schmälerung des Lehrangebots am Historischen Seminar
handle: «Wichtig ist uns, dass diese Forschungsrichtungen noch stärker in das allgemeine Geschichtsstudium integriert und nicht als Sonderbereiche der Geschichte abgehandelt werden.»

Gerüchte über eine Abschaffung des beliebten Nebenfachs Geschichte der Neuzeit lassen sich vorerst relativieren. Durch ein Missverständnis sei es aus den vorgesehenen Programmen für den Bachelor rausgefallen. Doch das HS setzt sich geschlossen dafür ein, dass es wieder in diese Programme aufgenommen wird. Julia Müller, Bereichsleiterin Lehre und Studium, versichert: «Niemand am HS will Geschichte der Neuzeit im Bachelor abschaffen. Neben den hohen Studierendenzahlen ist der interdisziplinäre Austausch ein Grund, wieso wir uns dezidiert für die Erhaltung einsetzen. Dank der vielen SozialwissenschaftlerInnen in diesem Nebenfachprogramm profitiert die ganze Fakultät davon.» Ganz definitiv ist die Entscheidung noch nicht; die Fakultätsversammlung stimmt über eine Wiederaufnahme voraussichtlich am 29. September ab. Die Verantwortlichen des HS geben sich aber zuversichtlich.

Neugestaltung des Curriculums – Mitreden ist erwünscht

Nada Boškovska und Simon Teuscher, die ab dem Herbstsemester das Amt des Seminarvorstands bekleiden, betonen, dass viele Details der Reform noch nicht geklärt sind und noch zur Diskussion stehen. So ist unter anderem auch eine Umgestaltung des Einführungsstudiums denkbar. Bereits verabschiedet wurde von der Fakultätsversammlung die Regelung, dass im ersten Semester eines Studiums je 15 Punkte auf das Haupt- und das Nebenfach fallen. Zudem werden Bachelorarbeiten fakultätsübergreifend 15 Punkte umfassen. Nada Boškovska meint zur neuen Studienordnung des HS-Seminars: «Uns ist generell wichtig, dass die Studierenden ihre Meinung bei der Neugestaltung des Curriculums einbringen. Im Moment ist vieles noch offen.»

Der wichtigste Informationskanal für uns Geschichtsstudierende diesbezüglich ist der Fachverein (FVhist). Dieser bildet an der Seminarkonferenz, dem Entscheidungsorgan des HS, mit drei stimmberechtigten Mitgliedern die Vertretung unseres Standes und ist so über die unipolitischen Vorgänge direkt informiert. Was konkret noch offen steht, kann der Fachverein momentan noch nicht sagen. Lorine Pally und Rafael Kaiser vom FVhist verweisen aber auf die zwei Mal pro Semester
stattfindende Voll- und Mitgliederversammlung, an denen jeweils die wichtigsten Entscheide an uns Studierende weitergegeben würden.

Unabhängig vom Fachverein können sich interessierte Studierende auch im Vorraum des Seminarsekretariats über die Entscheide an der Seminarkonferenz informieren – dort hängt das Protokoll der jeweils letzten Sitzung öffentlich aus.

Die Reform geht in die heisse Phase

Das nächste Semester wird für die Reform matchentscheidend sein – ungefähr Ende Oktober werden an einer Sonderseminarkonferenz die wichtigsten Entscheide gefällt, Ende Dezember soll die neue Studienordnung stehen und um den Jahreswechsel von der Fakultätsversammlung verabschiedet werden. Alle Änderungen sollen auf das Herbstsemester 2019 in Kraft treten. Die momentan aktuellen Studienprogramme sollen 2027 auslaufen. Sobald die Auswirkungen der Reform konkret sind, werden Informationen auf der Homepage des HS aufgeschaltet, Infoveranstaltungen für Studierende organisiert und spezielle Studienberatungen angeboten. Bis dahin aber ist es an uns, unsere Ideen und Wünsche für die Reform anzubringen – diese ist nämlich immer noch work in progress. Am einfachsten geht das über den FVhist. Allerdings müssen sich Interessierte persönlich beim Fachverein um Informationen bemühen. «Wer Zugang zu aktuellen Informationen haben möchte, kann sich gerne bei uns melden. Wir ermöglichen dann den Zugang zu allen verfügbaren Dokumenten», sagt Rafael Kaiser.

Unipolitische Informationen – Bring- oder Holschuld?

Doch wenn diese seminarinternen Entscheidungen transparenter sind als gedacht, wieso wissen wir Studierenden trotzdem verhältnismässig wenig über diese Vorgänge? Sind wir schlecht informiert oder einfach desinteressiert? Womöglich
ist es eine Mischung aus beidem: Informationen werden uns vom Fachverein nicht auf dem Silbertablett serviert, und um sie sich selber einzuholen, sind wir dann doch zu gemütlich. Man kann also nur sowohl an das Engagement jedes einzelnen als auch an bessere und zuverlässige Informationskanäle appellieren. Toll wäre beispielsweise ein regelmässiger Newsletter mit den wichtigsten Entscheidungen aus der Seminarkonferenz, für den man sich freiwillig eintragen kann. Gut möglich, dass sich mit einer offensiveren Informationsstrategie der eine oder die andere für ein Engagement motivieren liesse. So oder so – die Gespräche mit den verschiedenen verantwortlichen Personen haben gezeigt, dass mehr unipolitisches
Engagement von Seiten der Studierenden auf jeden Fall erwünscht ist. Jetzt ist es an uns, die letzten Striche der Bolognareform mitzuzeichnen.

Anmerkung: Barbara Welter Thaler und Julia Müller gaben
stellvertretend Auskunft für Programmdirektorin Prof. Monika
Dommann, welche zum Zeitpunkt des Interviews forschungsbedingt
abwesend war.
Die Vollversammlung des FVhist findet am 28.9.2017, um
12:15 Uhr in der Oase statt. Alle Geschichtsstudierenden
sind willkommen. Eventuelle Fragen und Anträge vorab an:
fvhist@hist.uzh.ch.