Zwischen Erdölreichtum und bitterer Armut, zwischen Paramilitärs und Guerillas behauptet die Organización Femenina Popular seit 47 Jahren ihren Platz in Barrancabermeja, Kolumbien. Vor kurzem hat die Organisation das Haus der Erinnerung und der Menschenrechte der Frau eröffnet – das erste in Kolumbien mit einem expliziten Frauenfokus.
Am Tag der Eröffnung ist der Weg zum Museum von jungen Frauen gesäumt. Weiss bekleidet und mit Schirmen der drückenden Hitze trotzend stehen sie neben Plaketten, die an die ermordeten und bedrohten Mitglieder ihrer Organisation erinnern. Sobald man die Räumlichkeiten betritt, empfangen einen Flussgeräusche. Sie erinnern an die Nähe des Flusses Magdalena, die fluviale Hauptader des Landes und zentraler Bezugspunkt der Stadt Barrancabermeja. Hier wird auf die Geschichte der Stadt eingegangen, die seit ihrer Gründung durch die amerikanische Tropical Oil Company ein Zentrum der Erdölindustrie und der kolumbianischen Arbeiterbewegung war und wo zeitweise Guerillas stark präsent waren. All dies machte die Stadt zum Ziel rechter Paramilitärs, die in Barrancabermeja eine brutale Säuberungswelle gegen soziale Bewegungen und andere linke Kräfte starteten. Von den 1990ern bis Mitte der 2000er Jahre hatten die Paramilitärs die Stadt fest unter Kontrolle – in Kollaboration mit staatlichen Sicherheitskräften. Doch mitten in der bekannten und stets von männlichen Akteuren vorangetriebenen Erzählungen dieser Zeit scheint auch immer wieder eine andere Geschichte durch: diejenige der Organización Femenina Popular. Und diese Geschichte ist keine von Gewalt und Vertreibung, sondern eine von Solidarität und Widerstand. Nun, da der Konflikt mit der Demobilisierung der Paramilitärs und der grössten Guerillagruppe FARC zumindest offiziell vorbei ist, ist die Zeit gekommen, um solchen Erinnerungen einen Raum zu geben.
Entstanden ist die OFP im kirchlichen Umfeld der sozialkritischen Befreiungstheologie. Sie etablierte sich aber schliesslich als unabhängige Plattform für spezifische Anliegen von Frauen. Die Aktivitäten der Organisation weiteten sich stetig aus und reichten von psychologischer Betreuung über politische, rechtliche und handwerkliche Kurse bis hin zu kommunalen Küchen in den ärmeren Stadtteilen und einem kulturellen Angebot für Jugendliche. Das Kernanliegen der Gruppe war stets, marginalisierten Frauen eine Perspektive zu geben, sie über ihre Rechte aufzuklären, ihnen Weiterbildungen anzubieten und dort einzugreifen, wo die staatliche Versorgung versagte. Wie man durch Zeitzeugenberichte erfährt, halfen diese Kurse und Aktivitäten gerade denjenigen Frauen zu mehr Selbstbewusstsein und Freiheit, deren Leben von häuslicher und sexueller Gewalt und von grosser Abhängigkeit geprägt waren. Viele von ihnen waren in einer grossen Vertreibungswelle in den 1990er Jahren vom Land gekommen und kannten grundlegende rechtliche Vorgänge wie das Erstatten einer Anzeige nicht. Denn staatliche Institutionen, abgesehen vom Militär, waren auf dem Land wenig präsent.
Der Kern der Bemühungen der OFP waren die Frauenhäuser, welche in verschiedenen Stadtteilen und auch in den umliegenden Dörfern als Rückzugs- und Versammlungsort dienten. Hier wurde die Isolation durchbrochen, unter der viele Frauen litten, weil sie aufgrund ihrer familiären Umstände oder wegen des politischen Konflikts an ihre Häuser gebunden waren. Doch der entscheidende Beitrag der Frauenhäuser war der Widerstand. Symbolisch für diese Orte wurden in einer Museumswand Fenster und Türen eingebaut. Dahinter warten verschiedenste Objekte aus der Geschichte der Organisation. So findet man hinter einem Fenster beispielsweise ein einfaches schwarzes Hemd. Es wurde, angelehnt an andere Proteste, stets von allen Mitgliedern getragen, sobald sie gemeinsam auf die Strasse gingen, sei es für eine Demonstration oder für die gemeinsame Suche nach verschwundenen Angehörigen. Das Kleidungsstück erinnert an die erfolgreiche Mobilisationsstrategie der OFP, die in kürzester Zeit viele Mitglieder auf die Strasse bringen kann, um so gewaltlosen passiven Widerstand zu leisten.
Widerstand leistete die OFP auch dagegen, dass ihre Frauenhäuser von den Paramilitärs eingenommen wurden. Dieser Kampf wird symbolisch dargestellt durch eine Zeichnung der Schlüssel der Häuser, welche die OFP trotz immensem Druck der bewaffneten Gruppen niemals herausrückten. Dieser Kampf um die Häuser ging dabei auch soweit, dass die Paramilitärs eines davon Stück für Stück abrissen und abtransportierten, worauf die OFP es aber einfach direkt wieder aufbaute. Und schliesslich ist da ein grosser Kochtopf, den die OFP verwendete, um während Notständen, Protesten oder auch einfach in ärmeren Stadtteilen eine kommunale Küche aufzubauen. Deshalb steht er symbolisch für die Versammlungsfreiheit. Auch dieser wurde mehrmals von den Paramilitärs erfolglos eingefordert, um zu verhindern, dass sich Menschen zum gewaltlosen Widerstand versammeln. So geriet auch etwas Einfaches wie ein Kochtopf in die Dynamik des Krieges. Die Fenster und Türen, an denen die Besucher vorbeigehen, sind also eine doppelte Metapher. Zum einen für die Häuser selbst, welche während der gefährlichsten Phasen des Konfliktes einen Rückzugsort boten, zum anderen für die Unsichtbarkeit von Frauen. Möchte man als Zuschauer die Geschichte des Widerstands sehen, muss man zuerst die Fenster und Türen öffnen, hinter denen sie sich versteckt.
Doch der entscheidende Beitrag des Museums ist seine Existenz an sich. Wie Yolanda Bercerra, eine der Anführerinnen der Organisation, beim Eröffnungsanlass klar macht, soll das Museum ein Raum sein, an dem abseits von gewalttätigen und patriarchalen Strukturen Erinnerungen ausgetauscht werden können. So wie die Frauenhäuser nach wie vor einen Ort darstellen, an dem sich die Mitglieder der OFP frei von gesellschaftlichen Zwängen an solidarischen Aktivitäten beteiligen konnten. In diesem Sinne wirft das Museum nicht nur einen Blick in die Vergangenheit, sondern auch auf die Herausforderungen der Zukunft.
Die OFP schliesst sich mit ihrem Museum an eine internationale Bewegung an, die sich für den Aufbau von Frauenmuseen einsetzt. Auf deren Website gibt es eine Karte mit allen existierenden und geplanten Projekten. Nebst einigen erfreulichen Beispielen, fällt jedoch eine Lücke auf: die Schweiz. Hier existiert zwar seit Jahren ein Projekt für ein solches Museum, doch der Eröffnungstermin lässt auf sich warten. Gerade in einem Land wie der Schweiz, das in Bezug auf Frauenrechte eine lange Geschichte von Exklusion und Verzögerungen, aber auch von entschiedenem Widerstand aufweist, wäre eine frauenspezifische Perspektive, wie sie dieses Museum bietet, ein sinnvoller Beitrag zur Diskussion und sehr zu begrüssen.