Fabio Trigonella, 35, Masterstudent, täglich an der Uni, gehört zu den HS-Urgesteinen. Doch nicht mehr lange: Er steht kurz vor seinem Abschluss.
Wenn Du Dich ab und zu in den Räumen des Historischen Seminars aufhältst, dann hast Du mich wahrscheinlich auch schon gesehen. Ich studiere nun schon seit elf Jahren Geschichte und bin jeden Tag im Arbeitsraum am Schreiben – und nicht selten genehmige ich mir auch in der Oase einen Pausen-Kaffee. Ich bin definitiv ein ewiger Student. Schon seit 2004 bin ich an der Uni, wo ich mich zuerst für Jus eingeschrieben habe, dann aber nach vier Jahren abbrach und zu den HistorikerInnen wechselte.
Grösstenteils genoss ich das Studileben bis jetzt. Ich bin immer noch begeistert vom Fach – vor allem interessiere ich mich für die Renaissance – und ich habe jeden Tag Leute um mich, mit denen ich einen Schwatz halten kann. Mittlerweile bin ich aber an einem Punkt angekommen, an dem ich froh bin, wenn das Studium dann auch mal abgeschlossen ist. Eine Reinigungskraft, mit der ich mich gelegentlich auf Italienisch unterhalte, nennt mich schon länger ironisch «il professore», da es auch ihr nicht verborgen geblieben sein dürfte, dass ich schon ein Weilchen hier bin. Ausserdem gibt es immer mehr junge Studis, die mir Grüezi statt Hoi sagen – was jedes Mal einem Schlag in die Magengrube gleichkommt. Und in letzter Zeit ertappe ich mich selbst dabei, wie ich Bekannten nur so halb die Wahrheit sage, wenn ich auf die Frage, was ich denn im Moment mache, mit «an der Uni arbeiten» antworte. Was ja schon stimmt, nur halt nicht im Sinne von Lohnarbeit.
«Es gibt immer mehr junge Studis, die mir Grüezi statt Hoi sagen – was jedes Mal einem Schlag in die Magengrube gleichkommt»
Aber es hat natürlich seine Gründe, dass das Studium bei mir so lange dauert. Erstens habe ich mich nämlich im Verlaufe des ganzen Studiums stets unipolitisch engagiert. Schon während des Jus-Studiums wurde ich für die KriPo in den Studierendenrat gewählt – und war damit natürlich der einzige linke Jurist im Rat. Und danach blieb ich ein aktives KriPo-Mitglied und engagierte mich im Fachverein Geschichte. Ich bin sicher eher links von links als rechts von links anzusiedeln. Für mich sind die soziale Sache und das Recht auf Mitbestimmung seit jeher wichtig, und so war es von Anfang an klar, dass ich mich auch an der Uni dafür einsetzen will.
Der zweite Grund ist der: Ich bin weder der Grösste, der Stärkste, noch der Gesündeste. Das bedeutet, dass ich oft genügend mit meinem Körper beschäftigt bin, und das schlägt zum Teil eben auch auf den Geist. Ich hatte während des Studiums immer wieder mit meiner Gesundheit zu kämpfen, was mich mal mehr, mal weniger absorbiert hat. Umso mehr freut es mich, dass ich nun bald den Master habe. Dann werde ich zumindest den «professore» sicher schon bald vermissen.
Im November ist es so weit: Dann muss ich meine Masterarbeit über die Gedankenwelten der stadtrömischen kleinbürgerlichen Beamtenschicht in der frühen Neuzeit abgeben. Und dann: finito. Bis dahin bleibt aber noch einiges zu tun, ich befinde mich gerade in der heissesten Phase der Arbeit. Abgesehen von einigen Tagesausflügen, ein paar Velotürchen und dann und wann einem Sprung in ein erfrischendes Gewässer ist das Wort Semesterferien für mich im Moment ein Fremdwort. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich die Arbeit gut abgeben kann, denn ich habe lange und fundiert recherchiert, und es geht jetzt vor allem noch darum, das Ganze zu einem brauchbaren Text zusammenzukleistern. Es wird wohl nicht dafür reichen, alles in Hexameter zu verfassen, aber einen anständigen Text sollte ich schon hinbekommen.
Wie es danach weitergeht, weiss ich noch nicht genau. Ich hoffe natürlich, einen Job zu finden, in dem ich meine erworbenen Fähigkeiten anwenden kann – vielleicht in einem Archiv oder einer Bibliothek. Aber im Moment darf ich noch nicht zu fest daran denken. Mein Zeithorizont muss der Abgabetermin im November sein. Am Abgabe-Tag kann es gut sein, dass im Fachvereinszimmer eine kühlgestellte Flasche wartet und dann wird in der Oase angestossen. Weil dann habe ich definitiv was zu feiern.
Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch für diesen Text fand in den Semesterferien statt. Letzte Woche hat Fabio Trigonella nun seine Masterarbeit abgegeben. Wir gratulieren!
Menschen am HS
Wir sehen sie täglich, aber wissen nicht, wer sie sind: die Menschen am HS. In dieser Rubrik portraitieren wir deshalb in jedem Heft jemanden aus dem Umfeld des Historischen Seminars – und lassen ihn oder sie selbst zu Wort kommen. Bisher erschienen: Viviane Mee, die lauteste Bibliothekarin der Schweiz und Francesco Falone, IT-Verantwortlicher mit legendärem Lachen.