Bereits seit Jahrtausenden bekannt und doch so umstritten: Cannabis polarisiert. Dabei beschränkt sich die öffentliche Wahrnehmung meist auf die Droge Cannabis in Form eines «Joints».
Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit und diente ursprünglich als Nahrungsmittel sowie für die Herstellung von Papier, Kleidung und Baumaterial. Doch auch die berauschende und heilende Wirkung des Stoffs ist altbekannt: Bereits vor 5000 Jahren sollen in Asien schmerzende Wunden mit Cannabis behandelt worden sein, was ein Blick in das wohl älteste Heilpflanzenverzeichnis des chinesischen Kaisers Shennong (um 2700 v. Chr.) zeigt.
In Europa wurde die Droge Cannabis Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals richtig populär, spielte jedoch weiterhin eine untergeordnete Rolle. Denn der Weltdrogenmarkt wurde von einem stärkeren Rauschmittel beherrscht: Opium. Nachdem China beide Opiumkriege (1840 – 42 und 1856 – 58) verloren hatte, breitete sich die Opiumsucht unter der chinesischen Bevölkerung weiter aus und zunehmend gelangte die Droge auch nach Europa. Diesen Zuständen wollten vor allem die USA ein Ende setzten – jedoch nicht nur um das weltweite Drogenproblem einzudämmen, sondern auch um die medizinische Versorgung mit Opiaten zu gewährleisten. So sollten mit den Opiumkonferenzen 1912 und 1925 der Handel und freie Konsum von Opium stark eingeschränkt werden. Ein eher zufälliges Nebenerzeugnis der Konferenz von 1925: Nebst Opium geriet auch der Hanf ins Blickfeld der Drogengegner.
In den 1930er Jahren intensivierte sich der Kampf gegen Cannabis. Der Amerikaner Harry J. Anslinger war ein grosser Gegner der Pflanze und behauptete, Hanf mache Jugendliche zu skrupellosen Mördern und Männer (meist Mexikaner) zu Vergewaltigern. Anslingers Angstmacherei fand Gehör: In den USA wurde Cannabis mit dem «Marihuana Tax Act» 1937 faktisch verboten. Der wirtschaftliche Aspekt blieb dabei meist unerwähnt: Mit der Cannabis-Prohibition verschwand nicht nur das Rauschmittel, sondern auch der Rohstofflieferant Hanf grösstenteils vom Markt. Für die Baumwoll- und Holzindustrie war dies ein Segen.
In der Schweiz wurde ein Cannabis-Verbot 1951 eingeführt, viele Apotheken verkauften Heilmittel auf Hanfbasis bis in die 1970er Jahre.
Nach und nach verschwanden auch diese Medizinprodukte vom Markt. Dabei hat Hanf weit mehr zu bieten als den simplen Rauschzustand: Gerade im medizinischen Bereich wird sein Potential nicht ansatzweise ausgenutzt, obwohl man weiss, dass viele Patienten – gerade Menschen mit chronischen Krankheiten oder starken Schmerzen – sehr davon profitieren könnten. Doch aufgrund hoher administrativer Hürden dürfen derzeit schweizweit nur wenige hundert Patienten legal Cannabisprodukte beziehen. Die Kosten belaufen sich auf mehrere tausend Franken pro Jahr und werden nur teilweise von der Kasse übernommen. Dabei gäbe es eine weitaus billigere Variante: Den Eigenanbau.
Doch bleibt diese Möglichkeit meist verboten. Zu gross ist die Angst der Hanfgegner, dass der Übergang vom Medizinprodukt zum legalen Genussmittel fliessend sei. Und so sind auch die Liberalisierungsbemühungen der vergangenen Jahre stets gescheitert. Weder der parlamentarische Versuch des Bundesrates 2001 noch die «Hanfinitiative» von 2008 konnten sich durchsetzten. Dabei gäbe es gute Gründe, den Konsum für Erwachsene teilweise zu legalisieren. So könnte eine kontrollierte Abgabe des Stoffes beispielsweise den florierenden Schwarzmarkt einschränken. Dies hätte auch positive Effekte auf die Gesundheit der Konsumenten, denn Schwarzmarktgras wird oft mit gefährlichen Streckmitteln wie Glas oder gar Blei versetzt. Seit einigen Jahren ist darum ein wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt geplant, das eine kontrollierte Abgabe in vier Schweizer Städten in sogenannten Cannabis Social Clubs (ähnlich wie bereits in Barcelona) vorsieht. Dabei würde vorerst ausgewählten Konsumenten der Erwerb von wenigen Gramm pro Monat ermöglicht, die Käufer müssten dafür registriert sein.
Doch so weit wollen es die Gegner nicht kommen lassen. Sie fürchten, dass dadurch mehr Menschen zum Hanfkonsum angeregt werden könnten. Viele Befürworter glauben genau das Gegenteil. Der Reiz des Verbotenen, der vor allem Jugendliche anlockt, würde wegfallen. Denn in einem Punkt sind sich beide Parteien einig: Jugendschutz ist notwendig, denn Cannabiskonsum im Jugendalter kann irreparable Schäden am unfertigen Gehirn anrichten.
So ist es wichtig, dass Hanf weder verteufelt noch verharmlost wird. Vielmehr sollten die Nutzen und Risiken der Substanz weiter erforscht werden um einen verantwortungsvollen Umgang mit dem vielfältigen Stoff zu ermöglichen. Viele Liberalisierungsgegner scheinen sich dabei aber zu sehr auf die berauschenden Fähigkeiten von Cannabis zu fokussieren – «Bekifft-Sein» scheint ihnen ein Dorn im Auge. Man kommt nicht umhin, einer solchen Ansicht eine gewisse Doppelmoral zu unterstellen, werden doch Tabak und Alkohol nicht als verbotene Substanzen, sondern als «Genussmittel» betitelt. Glaubt man dem Wissensmagazin «Einstein», sprechen traurige Zahlen eine andere Sprache: Alkohol fordert in der Schweiz 1600 Tote pro Jahr. Ein Todesfall als direkte Folge von Cannabiskonsum hingegen ist bis heute nicht bekannt.