Schiffsmodelle, Kakaoplantagen und Sklavenarbeit – Die Ausstellung zur Sammlung von Philipp Keller

Gemälde einer Galere von Jean Pimodan. Bild: Verkehrshaus Luzern

Die Ausstellung «Kakao, Kunst und Kolonialismus. Die Schifffahrtssammlung von Philipp Keller» im Verkehrshaus Luzern bleibt eine Bootsmodellausstellung, auch wenn sie mehr verspricht.

Das Verkehrshaus in Luzern wirbt mit dem klingenden Titel «Kakao, Kunst und Kolonialismus. Die Schifffahrtssammlung Philipp Keller» für die derzeitige Sonderausstellung im Hans-Erni-Museum. Die Ausstellung wurde anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Schifffahrtshalle des Museums realisiert und verspricht Grosses: Sie biete einen «einzigartigen Einblick in […] den Schweizer Anteil am weltweiten Kolonialismus», verkündet das Verkehrshaus selbst. Das Medienecho bei der Eröffnung war gross, viele Medienunternehmen und wissenschaftliche Vereine schrieben über die Ausstellung. Auch ein 50-seitiger Katalog mit Grusswörtern, wissenschaftlichen Kommentaren und einem bebilderten Verzeichnis der Ausstellungsobjekte wurde für die Ausstellung zusammengestellt.

Die Werbung des Verkehrshauses und das positive Medienfeedback weckte mein Interesse. Zum zweiten Mal besuchte ich ein Seminar zum Kolonialismus, ich wusste von den Schwierigkeiten der Museen, die Aufarbeitung solcher komplexen Themen anzugehen. Voller Hoffnung auf eine reflektierte Auseinandersetzung mit der kolonialistischen Vergangenheit der Schweiz besuchte ich also das Hans-Erni-Museum.

Wertvolle Schiffsmodelle und Gemälde

Im Erdgeschoss des sechseckigen Gebäudes ist die Sammlung von Philipp Keller ausgestellt. Diese umfasst Werke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert: Expeditionstagebücher berühmter Seefahrer wie Vasco de Gama, James Cook oder Ernest Shackleton wie auch Sammlungen von Abenteurerromanen, Piratenliteratur, Werke über Handelsgeschichte oder zum Schiffsbau. Keller besass aber auch viele Gemälde und Druckgrafiken. Darunter ist das eindrucksvolle Gemälde des Walfangschiffs «Vikings» von Sandy Hook aus dem Jahr 1930. Es zeigt das Walfangschiff, mehrere tote Wale und drei Männer.

Vollmodel eines afrikanischen Bootes aus dem 19. Jh. und ein Modell des Raddampfers «Le Spinx» von 1828. Bilder: Verkehrshaus Luzern

Die berühmtesten Sammlungsstücke sind jedoch die vielen Schiffsmodelle, die im Besitz von Philipp Keller waren. Der Unternehmer sammelte viele detailgetreue Modelle von Schiffen aus dem 17. bis 20. Jahrhundert, welche aus allen Teilen der Welt stammen. Darunter etwa ein Modell der «Great Britain», dem ersten modernen Transatlantikdampfer mit Schraubenantrieb und Eisenrumpf, die «Le Sphinx», ein Modell des ersten Dampfers der französischen Kriegsmarine oder ein afrikanisches Boot, welches für den Transport auf Flüssen in Zentralafrika und im Küstenbereich eingesetzt wurde. Woher letzteres genau stammt oder wer solche Schiffe baute, erfährt man in der Ausstellung nicht.

Die Fernhandelsfamilie Keller

Die Ausstellung ist für Schifffahrts-Interessierte von grosser Bedeutung. Laut einem Artikel der Luzerner Zeitung soll die Sammlung von Keller aufgrund ihrer detailgetreuen Schiffsmodelle weltberühmt sein. Natürlich macht es für die Ausstellung in einem Verkehrsmuseum auch Sinn, dass die Schiffe selbst im Vordergrund stehen.

Doch die Werbung für die Ausstellung versprach mehr: Die Reflexion und Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und deren Verknüpfung zur Schweiz. Philipp Keller entstammt nämlich einer Familie, die ihr Reichtum und Wohlstand aus dem Handel mit kolonialer Ware aus Brasilien gewonnen hat. Bereits Philipps Grossvater, Hans Joachim Keller, wanderte ins heutige Salvador aus und beteiligte sich dort am Kaffeehandel. Carlos Ferdinand, Philipps Vater, übernahm später die Firma und verlegte ihren Sitz nach Paris. Carlos F. Keller setzte voll auf den Kakao, vergab Bauern Kredite und sackte später deren Land ein, wenn diese die Kredite nicht zurückzahlen konnten. Um die Qualität des Kakaos garantieren zu können, besass er auch eigene Plantagen. Carlos Keller war es, der das Landgut Krämerstein im luzernischen Horw kaufte und es in eine repräsentative, herrschaftliche Villa umbaute. Damals begann die Sammlertätigkeit von Carlos F. Keller. Das Sammeln dürfte Ausdruck seines bildungsbürgerlichen Selbstverständnisses gewesen sein.

Philipp Keller (links) neben einem Schiffsmodell aus seiner Sammlung um ca. 1950. Bild: Verkehrshaus Luzern

Philipp Keller, Carlos Ferdinands Sohn, wurde 1895 in Paris geboren. Dort besuchte er eine elitäre Privatschule und absolvierte eine praktische Ausbildung im Bankwesen der Schweiz. 1920 übergab Carlos F. Keller sein Pariser Unternehmen seinen beiden Söhnen, Philipp und Félix. Im Jahr 1924 eröffneten die Brüder eine Filiale in Le Havre, von wo aus sie Kakao und Kaffee aus Afrika importierten. Mitten im Zweiten Weltkrieg verlegte Philipp Keller seinen Wohnsitz vom besetzten Paris an den Vierwaldstättersee. Zu dieser Zeit widmete sich Keller der Schifffahrtssammlung seines Vaters. Die Villa wurde zur Ausstellungshalle: Zahlreiche Gemälde zierten die Wände und in vielen Räumen wurden Schiffsmodelle ausgestellt. Bald wurde der Platz für Kellers Sammlung aber zu klein und Keller durfte einen Teil seiner Sammlung im Gewerbemuseum Luzern ausstellen.

Vermutlich lernte Keller dort Alfred Waldis kennen, den Mitbegründer und Direktor des Verkehrshauses. Waldis schlug Philipp Keller für den Vorstand des Vereins «Verkehrshaus der Schweiz» vor, dem Keller von 1958 bis zu seinem Tod 1980 angehörte. Zur Eröffnung des Museums im Jahr 1959 übergab Keller dem Verkehrshaus 40 Schiffsmodelle aus seiner Sammlung als Dauerleihgabe. Als Philipp Keller starb, setze er das Verkehrshaus als Universalerbe ein. Damit gingen seine gesamte Sammlung, die Villa Krämerstein und sein Vermögen an das Verkehrshaus über. Seine Liegenschaft wurde bereits 1982 an die Gemeinde Horw verkauft, wodurch das Verkehrshaus die Halle Schifffahrt, Seilbahnen und Tourismus erbauen konnte.

Keine Antworten und Whataboutismus

Die kritische Einordnung des Kolonialismus in der Ausstellung findet nur an einer Wand statt. Dort stellt Jeremias Beerli, der Leiter des «Dokumentationszentrum Verkehrshaus», den Besuchenden die Frage, von wo die Modelle der Segelschiffe und die über hundertjährigen Fotos der Kakaoproduktion in Brasilien überhaupt ins Verkehrshaus gekommen sind – und was das mit der Kolonialgeschichte der Schweiz zu tun hat. Er erwähnt, dass der Bezug der Sammlung zur Schweizer Kolonialgeschichte bei den brasilianischen Fotografien augenscheinlich werde und die Geschichte der Kellers ein typisches Beispiel für den Schweizer Kolonialismus ohne Kolonien sei. Die Geschichte der Familie Keller lade dazu ein, über die koloniale Vergangenheit zu debattieren.

Eine ausführlichere Einordnung des Kolonialismus durch solche Fernhandelsfamilien findet nur im Ausstellungskatalog statt, welcher für 15 Franken zu kaufen ist. Dort schreibt die Historikerin Béatrice Ziegler, dass auch Schweizer Bürger:innen in von Sklav:innen bewirtschaftete Plantagen investierten. Auch einzig in diesem zusätzlichen Katalog wird erwähnt, welche Auswirkungen der europäische Kolonialismus hatte: Die Kolonisten profitierten von der enormen Ausbeutung durch die Sklaverei. Über 5.8 Millionen Menschen wurden zwischen 1500 und 1860 von Afrika nach Brasilien verschleppt, wo sie auf Plantagen und in Minen eingesetzt wurden sowie in Privathaushalten oder Fabriken arbeiteten. Auch die indigene Bevölkerung wurde versklavt und in Brasilien eingesetzt.

Fotografie vom Aufschlagen von Kakaofrüchten in Bahia (Brasilien) um 1900. Bild: Verkehrshaus Luzern

Die wichtige Frage, wie die Schiffe überhaupt in die Hände der Familie Keller kamen, wird nie beantwortet. Offensichtlich stammte der Reichtum der Kellers aus dem Fernhandel, trotzdem würde mich als angehende Historikerin die Geschichte dieser Modelle interessieren. Unvorteilhaft finde ich die späte Einordnung der Objekte am Schluss der Ausstellung.

Vielbedeutend für die Ausstellung ist die Aussage eines Museumsmitarbeiters. Dieser erzählte mir, dass er den Besucher:innen des Museums mitteile, dass nicht nur der weisse Mann, sondern auch die afrikanischen «Stammesführer» Schwarze Menschen versklavt hätten. Durch dieses rhetorische Verfahren – indem man durch einen Verweis andere Missstände relativiert oder vom Thema ablenkt – umgeht man unangenehme Fragen oder Vorwürfe. Die Thematisierung der Schweizer Beteiligung am Kolonialismus mag unangenehm und schambehaftet sein. Bei vielen löst sie Abwehr- und Verteidigungsreaktionen aus. Dennoch ist der kritische Umgang mit der eigenen Geschichte wichtig.

Obwohl es eine kleine und späte Einordnung gibt, fehlt mir eine solche bei den Objekten selbst. Es wäre besser gewesen mit Farben und Textklammern auf wichtige Dinge aufmerksam zu machen und diese hervorzuheben – so wie es das Landesmuseum macht. Zusätzlich hätte sich das Museum für diese Ausstellung mehr mit ihrem eigenen Donator, dessen Bilder und Objekte auseinandersetzen müssen. Besser hätte das Museum den Kolonialen Teil aus dieser Ausstellung gestrichen, denn die oberflächliche Auseinandersetzung reicht in der heutigen, kolonialkritischen Zeit nicht mehr aus.

Quellen:
Bühlmann, Karl; Bütikofer, Martin; Beerli, Jeremias; Stahlhut, Heinz und Wydler, Henry (Hg.): Kakao, Kunst, Kolonialismus. Die Schifffahrtssammlung Philipp Keller, Ebikon 2024.