Unter dem Titel «Frauen.Rechte – Von der Aufklärung bis in die Gegenwart» widmet sich das Landesmuseum Zürich noch bis Ende Woche der Geschichte von Frauenrechten in der Schweiz. Ein Ausstellungsbericht.
Früh morgens machen wir uns mit Kaffee in der Hand auf den Weg zum Zürcher Landesmuseum. Dort treffen wir bereits auf viele Besucher*innen, die sich die Ausstellung ebenfalls ansehen wollen.
Als wir den grossen Raum betreten, werden wir von sanften Klängen empfangen. Sie stehen im direkten Kontrast zur Projektion einer jungen Frau im blauen Kleid, welche eine eiserne Blume schwingt und damit Autofenster zertrümmert. Passant*innen und Polizist*innen gehen an ihr vorbei, als wäre es das Normalste der Welt. Die Videoinstallation ist das Werk von Künstlerin Pipilotti Rist aus dem Jahr 1997. Der Film trägt den Namen «Ever Is Over All» und bildet einen starken Einstieg in diese Ausstellung, welche sich darum bemüht, Meilensteine der Frauengeschichte exemplarisch aufzuarbeiten.
Die Ausstellung beginnt ihre Wissensvermittlung mit einem Exkurs über die Französische Revolution. Damals, zur Zeit der Aufklärung, kam zwar die Idee auf, dass die Gleichheit aller Menschen als Ideal vertreten werden sollte, Frauen waren davon jedoch ausgeschlossen. Die Ausstellung präsentiert uns Portraits von Frauen, die sich bereits damals gegen diese ungleiche Behandlung wehrten. Schnell wird klar, dass auch die Frauenbewegung in der Schweiz stark von französischen sowie von englischen Vorreiter*innen beeinflusst wurde. Der Widerstand dieser Frauen steht am Anfang eines langfristigen Wandels des Frauenbildes und zeigt auf, wie sich Frauen in einer männerdominierten Gesellschaft als Arbeiterinnen, Mütter und Stimmbürgerinnen etablierten.
Im Verlauf der Ausstellung wird klar, dass die Geschichte der Frauenrechte in der Schweiz im internationalen Vergleich noch sehr jung ist. Das Gefühl von Selbstverständlichkeit rund um die rechtliche Gleichstellung, das heute vorherrschend ist, wird so dekonstruiert.
Die Ausstellung ist sowohl chronologisch wie auch thematisch unterteilt. Dabei dienen den Besucher*innen grosse Schilder als Orientierungshilfe. Es wird viel Anschauungsmaterial in Form von alten Dokumenten, Bildern, Audiodateien, Plakaten und sogar Kleidern angeboten. So ergibt sich eine gute Mischung zwischen informativen Texten und Anschauungsobjekten aus den jeweiligen Epochen. Insbesondere gefielen uns die digitalen Medien: So kann man an verschiedenen Stationen mit Telefonmuschel immer wieder vertonten schriftlichen Quellen lauschen.
Gegen Ende der Ausstellung findet auch der Ansatz der Oral History einen Platz: Auf einem Bildschirm sind Videosegmente aus dem SRF Archiv zu sehen, in denen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen von ihren Erlebnissen und Ansichten zum Thema Sexismus erzählen. Die Vielseitigkeit der Ausstellung erlaubt insgesamt einen differenzierten Zugang zur geschichtlichen Aufarbeitung der Frauengeschichte.
Obschon die Rechte der Frauen die Grundlage dieser Ausstellung darstellen, wird hier keine reine Rechtsgeschichte erzählt. Der Titel «Frauen.Rechte» ist somit etwas irreführend: Da die Ausstellung im Jubiläumsjahr des Frauenstimmrechts stattfindet, dachten wir, dass ihr Fokus in erster Linie auf diesem spät erreichten Meilenstein rechtlicher Gleichstellung liegen würde. Wir waren positiv überrascht davon, dass die Ausstellung die Thematik der Frauenrechte um einiges weiterführt und auf kreative Art und Weise vermittelt. Beispielsweise befindet sich der Sektor zum Abtreibungsrecht und zum Gesundheitswesen der Frauen versteckt hinter einer schrägen Wand. So wird visuell dargestellt, dass diese Thematiken von der Gesellschaft als Tabuthema wahrgenommen werden und auch heute noch im öffentlichen Diskurs oftmals keinen Platz finden.
Abschliessend thematisiert die Ausstellung den Frauenstreik 2019 und seine Anfänge im Jahr 1991. Somit wird ein Bogen zu heutigen Formen des Aktivismus und der feministischen Bewegung geschlagen. Dabei wird klar, dass der Kampf für Frauenrechte und Gleichstellung noch lange nicht vorbei ist. Die Ausstellung endet mit einem uns Studierenden nur allzu bekannten Kunstwerk, ebenfalls von Pipilotti Rist: der riesigen blauen Chaiselongue, die normalerweise im Lichthof der Universität Zürich steht und dort an die erste Schweizer Juristin und einflussreiche Frauenrechtlerin, Emilie Kempin-Spyri (1853-1901), erinnert.
Unser Fazit: Da die Ausstellung sehr viele verschiedene Themenbereiche abdeckt, ist es stellenweise nicht möglich, inhaltlich stark in die Tiefe zu gehen, was etwas schade ist. Die Ausstellung setzt den Fokus klar auf die vielen visuellen Ausstellungsstücke, was teilweise auf Kosten der informativen Texte geht. Nichtsdestotrotz ist die Ausstellung bestens geeignet für alle, die sich einen ersten Überblick über die Geschichte der Frauenrechte in der Schweiz schaffen wollen. Wir wünschen viel Vergnügen!
«Frauen.Rechte – Von der Aufklärung bis in die Gegenwart» läuft noch bis diesen Sonntag, 18.07.21. Wer keine Zeit mehr findet, persönlich vorbeizuschauen – eine Aufnahme der Online-Vernissage vom vergangenen März ist auf Youtube verfügbar. Mit Beiträgen von Denise Tonella, Andreas Spillmann, Elisabeth Joris, Ruth Dreifuss und Alain Berset sowie verschiedenen Einblicken in die Ausstellung. |