Vergiftet, verflucht, verraten!

Fredegund und Chilperich planen den Mord an Sigibert. Illustration: Basil Gallati

Die Geschichte des kometenhaften Aufstiegs der Frankenkönigin Fredegund gleicht einer blutigen Seifenoper im frühmittelalterlichen Setting. Der dramatische Höhepunkt und gleichzeitig Wendepunkt der fränkischen Geschichte am Ende des sechsten Jahrhunderts: ein Giftmord.

Wie es sich für ein Geschichtsdrama epischen Ausmasses gehört, werden zu Beginn die dramatis personae vorgestellt und der Autor gewürdigt, dem die Überlieferung zu verdanken ist. Der begnadete Geschichtsschreiber und Bischof Gregor von Tours verfasste seine Historie voreingenommen und parteiisch, wie es von einem engagierten Kleriker des sechsten Jahrhunderts zu erwarten ist. Entsprechend unterhaltsam charakterisierte er die Besetzung seiner Geschichte, wobei leider immer eine Portion Misogynie mitschwingt.

Die Protagonistin Fredegund und ihren Geliebten, König Chilperich, hasste der Autor abgrundtief. Fredegund beschrieb er als bösartigen, triebhaften und skrupellosen Machtmenschen niedriger Geburt und Gesinnung. Zusammen mit Chilperich, Gregor von Tours zufolge ein gieriger Kriegstreiber, der nicht auf das Wort der Kirche hörte, sorgte sie für politische Unruhe und Kriege zwischen den fränkischen Teilreichen. Besonders rücksichtslos waren die Kriege zwischen Chilperich, mit Königsitz bei Tournay, und seinem älteren Bruder Sigibert, König in Reims. Diesen Konflikt stilisierte Gregor von Tours zu einem Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen dem vorbildhaften Königspaar Sigibert und Brunichild und der verdorbenen Fredegund und ihrem Gatten Chilperich. Der lüsterne König Chilperich hatte laut Gregor neben Fredegund eine Reihe von weiteren Frauen, darunter Galsvinth, die Schwester der gutartigen Westgotenprinzessin Brunichild, und die fränkische Aristokratin Audovera. Die folgende, teilweise übertriebene und polemische Nacherzählung der Geschichte handelt von Liebe, Intrige, Blutrache und der erbitterten Rivalität zweier Königinnen.

Es war einmal im Frankenreich…

Machthungrig und verliebt in König Chilperich trieb sich Fredegund als Nebenfrau im Schatten ihrer aristokratischen Herrin Audovera am fränkischen Hof bei Tournay herum. Obwohl die Königin Audovera Chilperich bereits vier Kinder geboren hatte, gewann Fredegund über die Jahre Einfluss auf den König und eroberte sein Herz. Dies führte dazu, dass König Chilperich seine Frau Audovera tatsächlich verstiess und Fredegund zur Frau nahm. Das Liebesglück war jedoch von kurzer Dauer: Chilperichs verhasster Bruder, König Sigibert, warb erfolgreich um die Hand der Westgotenprinzessin Brunichild. Die neugefundene Verbindung, begleitet von einem prunkvollen Hochzeitsfest, erhob Sigiberts Ansehen weit über dasjenige seines Bruders. Neben den finanziellen Vorteilen, welche die Heirat mit sich brachte, befreite die tugendhafte Brunichild den Sigibert vom Stigma der Wollust, das den fränkischen Königen, und ganz besonders Chilperich, anhaftete.

Neidisch auf die neue Frau seines älteren Bruders arbeitete Chilperich auf eine Ehe mit Brunichilds Schwester Galsvinth hin und erhielt die junge Frau, gegen ihren Willen, wenig später samt Mitgift von ihrem Vater – dem Westgotenkönig – zur Ehefrau. Es überrascht nicht, dass Fredegund darüber wenig erfreut war. Obwohl sie vorübergehend von ihrem Platz an der Seite des Königs verdrängt wurde, verlor sie keineswegs ihren Einfluss auf Chilperich. Galsvinth beklagte sich heftig bei Chilperich über die Nebenbuhlerin Fredegund und forderte ihn auf, sich für eine Frau zu entscheiden. Dies führte dazu, dass König Chilperich die Westgotenprinzessin in ihrem Bett erdrosseln liess und getrieben von Liebe oder meisterhafter Überzeugungsarbeit Fredegund wieder zur Frau nahm. Die grosszügige Mitgift des Westgotenkönigs behielt Chilperich in seinem Reich. Bekanntlich kennt die Liebe keine Grenzen. Doch die Geduld des Königs Sigibert, Chilperichs Bruder, hatte ihre Grenzen nun erreicht.

Ein verfrühter Triumph

Seit längerem tobten Kriege zwischen den beiden Königsfamilien und die Ermordung von Brunichilds Schwester Galsvinth war bloss ein Vergehen auf einer langen Liste unbeglichener Rechnungen. So machte sich Sigibert mit einem Heer auf den Weg zu Chilperich. Nach einem Hin und Her von Vergeltungsaktionen, Verträgen und Verrat triumphierte Sigibert auf dem Schlachtfeld über seinen Bruder, besser gesagt über dessen Sohn, da sich Chilperich äusserst selten persönlich am Schlachtgeschehen beteiligte. Nach diesem Gesichtsverlust lief die aristokratische Oberschicht Chilperichs zu Sigibert über; die Weichen der Geschichte waren gestellt. In der Stadt Vitry, vor den versammelten Heeren der beiden Teilreiche und unter tosendem Applaus, wurde Sigibert auf einem Schild emporgehoben und zum König über die beiden Reiche ausgerufen. Der Tumult bot die perfekte Gelegenheit, sich unbemerkt dem König zu nähern:

«Es täuschten zwei Diener einen falschen Grund vor und stiessen mit grossen Messern, welche das Volk Scramasax nennt, mit Gift versetzt, von Königin Fredegund verflucht, ihm seitlich in den Bauch.»

Gregor von Tours, Hist. 4,51 (Eigenübersetzung)

An Ort und Stelle sank Sigibert zu Boden und verlor neben seinem Leben auch das machtpolitische Schachspiel gegen die Familie seines Bruders. Fredegund hatte alle Register gezogen, und durch eine Kombination aus Auftragsmord, Gift, Verrat und Verzauberung gelang es ihr tatsächlich, die katastrophale Niederlage ihres Mannes in einen Sieg zu verwandeln. Nach dem Begräbnis Sigiberts bemächtigte sich das Liebespaar seiner Schätze und sie erlangten die Herrschaft über die zuvor verlorenen Gebiete zurück. Ganze neun weitere Jahre waren ihnen vergönnt, bis Chilperich auf einem Jagdausflug brutal ermordet wurde. Obwohl die Umstände des Attentats unbekannt blieben, geriet das Gerücht in Umlauf, die verwitwete Brunichild habe den Mord in Auftrag gegeben.

Epilog

Dass Brunichild tatsächlich an Chilperichs Ermordung beteiligt war, ist zu bezweifeln. An Motiven mangelte es ihr keineswegs, jedoch stammten die Schuldigen vermutlich aus der Aristokratie unter Chilperich, die dem herrischen Regierungsstil des Königs ein Ende setzen wollten. Die Rivalität zwischen Fredegund und Brunichild zog sich über etliche Jahre weiter und endete erst mit Fredegunds friedlichem Tod im Jahr 594, worauf Brunichild zeitweilig die Zügel im Frankenreich in der Hand hielt. Im Gegensatz zu ihrer Rivalin fand Brunichild kein schönes Ende. 613 wurde sie von Fredegunds Sohn, Chlothar II., für die Kriege der letzten 40 Jahre verantwortlich gemacht und aufgrund der schwerwiegenden Anklage hingerichtet. Sie wurde gefoltert, von Pferden umhergeschleift und schliesslich entzweigerissen.

Mit dieser düsteren Note endete eine Phase, in dem das Schicksal des Frankenreiches massgeblich von Herrscherinnen bestimmt wurde, die sich durch Feingespür für die Machtpolitik und unerschütterlichen Gestaltungswillen auszeichneten. Das Scheitern der Brunichild führte nicht nur zur Auslöschung ihrer Familie, sondern ist letztendlich als Sieg der fränkischen Aristokratie zu werten, die sich erfolgreich der Machtballung innerhalb der Königsfamilien widersetzte. Die Aristokratie setzte sich erst gegen König Chilperich, dann gegen Brunichild durch. Einzig Chlothar II. konnte sich an der Macht halten, weil er der Oberschicht massive Zugeständnisse machte. Zu den Profiteur:innen dieser Geschehnisse gehörten die Ahnen Karls des Grossen, die von nun an immer häufiger als Hausmeier der fränkischen Könige die Bühne der Geschichte betraten, bevor sie schlussendlich den Tron selbst bestiegen.

Literatur
Gregor von Tours: Libri historiarum X, ed. Von Bruno Krusch; Wilhelm Levison, Hannover 1937–1951 (MGH SS rer. Merov. 1,1).
Pseudo-Fredegarius scholasticus: Fredegarii et aliorum, Chronica. Vita sanctorum, ed. von Bruno Krusch, Hannover 1888 (MGH SS rer. Merov. 2).
Scholz, Sebastian: Die Merowinger, Stuttgart 2015.