Vom belastenden Erbe einer Rechstaussenpartei

Szene aus Norbert Hofers Wahlkampfvideo: «Alle zusammen sind wir Österreich!» (Quelle: youtube)

IM HERBST STEHT IM ÖSTLICHEN NACHBARLAND DIE WIEDERHOLUNG DER WAHL ZUM BUNDESPRÄSIDENTEN AN – EIN FPÖ-KANDIDAT IST FAVORIT. GRUND GENUG, EINEN BLICK IN DIE GESCHICHTE DER FREIHEITLICHEN PARTEI ÖSTERREICHS ZU WERFEN. IN IHR VERBIRGT SICH UNTERGRÜNDIGES – VERBINDUNGEN ZUM NEONAZISMUS UND RECHTSEXTREMISMUS SIND LEICHT ZU FINDEN.

Am 22. Mai diesen Jahres unterlag Norbert Hofer, der Kandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), dem Grünen Alexander Van der Bellen bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl. Allerdings vermochte er 49,65 Prozent aller Stimmen auf sich zu vereinen. Die Wahl ist jedoch nie in Rechtskraft erwachsen, denn die FPÖ konnte sie wegen formaler Mängel erfolgreich beim österreichischen Verfassungsgerichtshof anfechten. Nun muss die Wahl wiederholt werden. Die Neuauflage des Duells zwischen Hofer und Van der Bellen wird am 2. Oktober über die Bühne gehen (dieser Artikel erschien erstmals im etü, bevor der Wahltermin wegen technischer Probleme der Wahlumschläge auf den 4. Dezember verschoben wurde, Anm. der Redaktion). In sämtlichen Umfragen weist Hofer einen grossen Vorsprung auf. Grund genug, einen Blick in die Geschichte der Partei zu werfen, die möglicherweise bald den nächsten Bundespräsidenten der Republik Österreich stellen wird.

Am 8. Mai 1945 endet der Zweite Weltkrieg in Europa mit der Ratifizierung der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Das Datum geht als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus in die Geschichte ein. Am gleichen Tag tritt in Österreich ein Verfassungsgesetz in Kraft, das die NSDAP und jede Neugründung oder Wiederbetätigung verbietet. Die Gründerparteien von Österreichs Zweiter Republik (ÖVP, SPÖ und KPÖ) beginnen danach unter dem Druck der Alliierten ein Entnazifizierungsprogramm. Doch die Entnazifizierung ist angesichts eines allgemeinen Unwillens kaum im Stande, die fast 600‘000 ehemaligen NSDAP-Mitglieder von ihren Überzeugungen abzubringen. Den Gründerparteien gilt das österreichische Volk denn auch eher als unschuldiges Opfer des Nationalsozialismus. Und im einsetzenden Kalten Krieg können sich die ehemaligen Nazis bald als Vorkämpfer gegen den Bolschewismus präsentieren und werden nach ihrer Amnestierung 1948 von den Grossparteien umworben.

Nachfolger der Nazis

Unter diesen Umständen formiert sich das deutschnationale Dritte Lager wieder neu. Dabei handelt es sich um eine politische Ausrichtung, die Österreich nicht als einen eigenen Staat betrachtet, sondern als Teil eines Grossdeutschlands. Die Deutschnationalen waren zuvor im Nationalsozialismus aufgegangen und hatten den Anschluss an Nazi-Deutschland 1938 begeistert aufgenommen. Nach dem Krieg organisieren sich diese ehemaligen Nationalsozialisten im Verband der Unabhängigen (VdU), der 1948 gegründet wird. Daneben entstehen auch einige militante Neonazi-Organisationen. Aus dem VdU entsteht 1955 die FPÖ, deren erster Parteiobmann ein ehemaliger SS-Brigadeführer wird. Da es in der FPÖ aber auch liberal eingestellte Kreise gibt, spalten sich die rechts-extremsten Teile der Partei 1967 ab und gründen die neonazistische Nationaldemokratische Partei (NDP). Federführend dabei sind vor allem die Burschenschafter rund um Norbert Burger. Die Brücken zur Mutterpartei werden aber nicht ganz abgebrochen. Besonders über den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), den Burger zu Beginn der 50er-Jahre mitgegründet hatte, und die Freiheitlichen Akademikerverbände(FAV) wird die Verbindung zum nationalen Flügel der FPÖ aufrecht erhalten.

Bericht zum Rechtsextremismus abgeschafft

Die Studentenverbindungen («Burschenschaften») stellen wichtige Kaderschmieden für die FPÖ dar. Von gewissen Verbindungen gehe ein «unterschwelliger Rechtsextremismus aus», der den Versuch erkennen lasse, «auf Umwegen eine gewisse Akzeptanz für nationalsozialistisches Gedankengut zu schaffen», ist im Rechtsextremismus-Lagebericht des österreichischen Innenministeriums von 1999 festgehalten. Nach Erfolgen bei den Nationalratswahlen von 1999 wird die FPÖ in einer Koalition mit der ÖVP Regierungspartei. Seit 2001 erscheint kein solcher Lagebericht mehr.

Das burschenschaftliche Selbstverständnis ist durch die deutschen Befreiungskriege gegen Napoleon geprägt. Die Idee der Nation als natürliche Abstammungsgemeinschaft spielt eine wichtige Rolle. Gleichzeitig begriffen bereits die Gründerväter der burschenschaftlichen Bewegung im 19. Jahrhundert das deutsche Volk in Abgrenzung zum Judentum. So war der Antisemitismus von Beginn weg wichtiger Bestandteil der Burschenschaften.

Aufstieg mit Jörg Haider

Doch die deutschnationalen Verbindungen haben nach einer Blüte in den 50er- und 60er-Jahren mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Infolge der gesellschaftlichen Liberalisierung in den 70er-Jahren wird die Neonazi-Szene zunehmend bedeutungslos. Doch nach dem Innsbrucker Parteitag der FPÖ von 1986 schöpfen die Rechtsextremen neue Hoffnung. Denn auf diesem Parteitag wird die wirtschaftsliberale Parteiführung gestürzt und der nationale Flügel um Jörg Haider übernimmt das Zepter. Haider trifft sich im Geheimen mit Norbert Burger, dem Vorsitzenden der neonazistischen NDP und die beiden beraten über eine mögliche Zusammenarbeit. 1988 wird die NDP jedoch behördlich aufgelöst, allerdings besitzt sie zu diesem Zeitpunkt bereits keine grosse Bedeutung mehr. Denn viele Mitglieder haben schon zuvor den Weg zurück in die neu ausgerichtete FPÖ gefunden.

Jörg Haider spricht mit seiner Politik neue Zielgruppen an. Während früher vor allem deutschnationale Akademiker und stramme Wirtschaftsliberale sich von der FPÖ angesprochen fühlten, kann Haider auch Angestellte und Arbeiter, die sich von der Sozialdemokratie nicht mehr vertreten fühlen, für sich gewinnen. Zugleich wendet sich Haider aber rhetorisch vom Deutschnationalismus ab und adaptiert einen aggressiven Österreich-Patriotismus, damit lässt sich besser gegen «Asylanten» und die EU politisieren. Dies trägt ihm Verratsvorwürfe von rechtsextremer Seite ein.

Patriotismus an der Oberfläche

Anfang der 1990er-Jahre begegnen die österreichischen Behörden der Neonazi-Szene mit erhöhtem Druck: Verhaftungen und Verurteilungen häufen sich. Die Anführer reagieren mit der Parole: «Rein in die Legalität.» Sie regen an, auf offene Aktionen zu verzichten und sich dafür in die FPÖ und ihre vor- gelagerten Organisationen (Burschenschaften) zu integrieren. Bei den Nationalratswahlen 1999 erreicht die FPÖ 26,9 Prozent Wähleranteil und wird damit zweitstärkste Partei in Österreich. Im Jahr 2000 gelangt sie in einer Koalition mit der ÖVP gar an die Regierung und darf die Vizekanzlerin stellen. Obwohl die FPÖ moderatere Mitglieder in die Regierung schickt, ist ihre Regierungsbeteiligung Anlass für grossen Protest: Innenpolitisch kommt es zu den sogenannten Donnerstagsdemonstrationen, aussenpolitisch verhängen die übrigen EU-Staaten Sanktionen gegen die österreichische Bundesregierung. Dies obwohl sich die Partei im Vorfeld der Regierungsbeteiligung von rechtsextremen Meinungen abgrenzt, weshalb viele Neonazis sich enttäuscht wieder von der FPÖ abwenden.

Nach zwei Jahren Regierungsbeteiligung kommt es zur Auseinandersetzung zwischen dem eher pragmatischen wirtschaftsliberalen Flügel um die Vizekanzlerin und Parteivorsitzende Riess-Passer und dem völkischen Mehrheitsflügel. Die FPÖ-Regierungsmitglieder werden eines Kuschelkurses bezichtigt. In der Folge legt ein grosser Teil der Führungsmannschaft ihr Mandat nieder. In den daraufhin angesetzten Neuwahlen verliert die FPÖ drastisch: Ihr Wähleranteil schrumpft auf 10 Prozent. Dennoch bildet die Partei weiterhin eine Koalition mit der ÖVP, nun ist die FPÖ aber klarer Juniorpartner.

Das Verhältnis der Parteispitze zum nationalen Flügel bleibt angespannt. Insbesondere Heinz-Christian Strache und Andreas Mölzer agitieren immer stärker gegen die eigene Regierung. Bei den Europawahlen von 2004 kann der deutschnationale Mölzer den Kandidaten der Parteiführung ausstechen. Diese Widersprüche führen 2005 zur Spaltung der Partei: Die FPÖ-Parteispitze löst sich als BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich), die sich der Regierungsarbeit verpflichtet, von der restlichen FPÖ ab. Strache ist nun Parteiobmann der FPÖ, die nun wieder in die Opposition kann. Die Neonazis freuen sich über diese neue Ausrichtung. Gerd Honsik, ein führender österreichischer Neonazi, gibt 2006 erstmals die Empfehlung ab, FPÖ zu wählen.

Nazi-Sympathien im Untergrund

Der neue Parteichef Strache, der mit sechs Jahren ins Internat gesteckt wurde, ist im jungen Alter eng befreundet mit dem rechtsextremen Norbert Burger – die Burgers stellen für ihn eine Art Ersatzfamilie dar. Im Alter von 15 Jahren wird Heinz- Christian Strache Mitglied der schlagenden deutschnationalen Studentenverbindung Wiener pennale Burschenschaft Vandalia. Er beteiligt sich zusammen mit einigen österreichischen Neonazis an sogenannten Wehrsportübungen in Militärkleidung und mit Gummiknüppeln. Zwischen 1985 und 1992 verkehrt er in der Neonazi-Szene. Noch als Parteiobmann hält er am 8. Mai, den das restliche Österreich als Tag der Befreiung von den Nazis feiert, verschiedentlich Totenreden, um zu trauern. Immerhin beteuert Strache 2007, dass Neonazis in der FPÖ keinen Platz hätten.

In den letzten Jahren hat sich die FPÖ nach dem Vorbild anderer europäischer Rechtsaussenparteien als anti-islamische Kraft und anti-europäische Partei positioniert. Bei den Nationalratswahlen 2013 erreichte die Partei 20,51 Prozent Wähler-anteil. Nach wie vor ist Heinz-Christian Strache die prägende Figur der Partei.

Trotz der immer auch heterogenen Parteibasis zeigt der Blick in die Geschichte, dass diese Partei stets ein besonderes Verhältnis zum Rechtsextremismus und Neonazismus gepflegt hat. Eine allfällige Wahl von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Österreich sollte vor diesem Hintergrund reflektiert werden.


Literatur